Aus «Contraste, Monatszeitung für Selbstorganisation», März, 2022


Rezension von Peter Streiff, Redaktion Stuttgart

WEG ZUR GLOBALEN DEMOKRATIE

»Eine andere Welt ist nicht nur möglich, eine andere Welt ist mach­bar.« Mit diesem ersten Satz gibt Peter Staub eine klare Richtung vor. Denn in seinem Buch »Die blaue Revolu­tion« skizziert er, warum er es für machbar hält, dass die Menschheit den Nationalismus überwinden und sich in »einer globalen, grenzenlosen Demokratie« organisieren könne.

Zugegeben: Angesichts der aktuel­len Corona-Krise sind bereits mehrere Konzepte unterschiedlicher Autor*in­nen mit teilweise radikalen Forderun­gen erschienen. Besonders interessant scheint mir Staubs Ansatz jedoch deswegen, weil er nicht bei utopisch klingenden Ideen stehen bleibt, sondern mit einer »Bundesverfassung der Vereinigten Staaten der Welt« einen ausformulierten Entwurf zur Diskussion vorlegt. Basierend auf der aktuellen schweizerischen Verfassung hat er einige Verbesserungen vorge­nommen, um sie »zukunftstauglich« zu machen.

Der Autor beschreibt in zwei paral­lel verlaufenden Erzählsträngen die Entwicklung seines Entwurfs: Ausge­hend von der aktuellen Krise und den Klimaprotesten werden in acht historischen Kapiteln verschiedene Wurzeln der Demokratie sowie die revolutionären Entwicklungen in Frankreich, den USA und in Haiti vorgestellt. Auch die gesellschaftli­chen Auswirkungen von Flucht und Migration sowie die Debatte um die Aufwertung von unbezahlter Care-Ar­beit werden beleuchtet. Außerdem legt der Autor einen speziellen Fokus auf verschiedene Ansätze der Wirt­schaftsdemokratie – von selbstverwal­teten Betrieben, dem dritten Weg des »Prager Frühlings« bis zu aktuellen Nachhaltigkeitskonzepten, die sich »an den Bedürfnissen aller Menschen« orientieren sollen.

Zwischen den historischen Kapiteln hält Staub Rückschau auf 40 Jahre seines bewegten politischen Lebens, das reich an unterschiedlichen Erfah­rungen ist: Aktivist für die schweize­rische Armeeabschaffungsinitiative, Gewerkschaftssekretär, Koordinator für selbstverwaltete Betriebe und Tageszeitungsjournalist sind nur einige seiner Stationen. Politische Vorstöße und markante Ereignisse sind dabei eng mit seinem persönli­chen Alltag verwoben. Was anfangs für den Leser ungewöhnlich wirkt, macht im Verlauf der Lektüre Sinn, denn mit den Schilderungen seines Werdegangs gewinnen die Eckpunk­te seines Vorschlags an Glaubwür­digkeit: Solidarität, Gewaltfreiheit und eine als Graswurzelbewegung sich entwickelnde »Massenmobilisie­rung« sollen zur »blauen Revolution« führen.

Die anfängliche Befürchtung, der Autor preise seine etwas modifizier­te Verfassung der Schweiz als das einzig Wahre, relativiert sich nach den ersten Seiten: Das flüssig und leicht lesbare Werk ist gespickt mit selbstkritischen, auch teilweise wenig bekannten Anekdoten aus dem Leben eines streitbaren Optimisten.